Beitrag des Handwerks zur Kultur
Inwiefern hängen Handwerk und Kultur zusammen und ist Handwerk nicht auch Kultur? Verbindungen zwischen Handwerk und Kultur gibt es viele. Man muss nur an all das denken, was für Kultur benötigt wird: Instrumente, Kostüme, Bühnenbild, Papier und Bücher, Töpfe und Pfannen. Die Liste ist lang und zu jedem Punkt auf der Liste gibt es einen Handwerksberuf, der ihn ermöglicht.
Aber auch das Handwerk selbst ist Kultur. Wenn man an Kultur denkt, kommen einem zumeist Dinge wie Kunst, Musik, Theater und vielleicht noch Essen in den Sinn. Kultur bezeichnet aber alles vom Menschen Veränderte oder Gemachte. »[...] Kultur gilt im weitesten Sinne als Inbegriff für all das, was der Mensch geschaffen hat, im Unterschied zum Naturgegebenen. [...]« , so wird Kultur im Lexikon beschrieben. Handwerk ist der Inbegriff dieser Aussage. Es umfasst alles, was der Mensch mit seiner eigenen Arbeit erschaffen kann. Darüber hinaus ist durch die lange Tradition, die das Handwerk mit sich bringt, auch der Prozess, die Arbeit selbst, Tradition geworden. »Das Handwerk ist einer der ältesten Wirtschaftsbereiche mit einer eigenen kulturellen Entwicklung. Seine Tradition ist reich an Werten und Erfahrungen, die Orientierung für Gegenwart und Zukunft geben. Handwerkskultur verbindet Tradition und Fortschritt und schafft Beständigkeit in einem permanenten Wandlungs- und Erneuerungsprozess.«
Die Rolle, die HandwerkerInnen damit einnehmen, ist nicht nur die der Personen, die für den Rest der Bevölkerung Dinge reparieren oder anfertigen; sondern auch die des Erhalters von Wissen über die Fertigkeiten, die der Mensch über hunderte von Jahren erlernt hat.
Die Rolle des Handwerks
in der Wirtschaft
Das Handwerk bildet mit knapp 1 Million Betrieben und seinen rund 5,5 Millionen Beschäftigten das Rückgrat des Deutschen Mittelstandes. Das entspricht 12,4 % aller Erwerbstätigen in Deutschland. Auch in der Ausbildung spielt das Handwerk eine wichtige Rolle. 2018 wurden etwa 368.000 Auszubildende in über 140 Berufen ausgebildet. Das entspricht ca. 27,8 % aller Auszubildenden in Deutschland und macht das Handwerk zum Ausbilder der Nation.
»Die Wirtschaftsmacht von nebenan«, wie die deutsche Handwerkskammer es beschreibt, hat im Jahr 2018 einem Umsatz von rund 612 Milliarden Euro erwirtschaftet, womit das Handwerk ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.
Seit der Novellierung der Wirtschaftsordnung 2004 hat sich viel getan im Handwerk. Die Anzahl der Handwerksbetriebe ist um rund 15 % gestiegen, der Umsatz um etwa 28 % und heute macht das Handwerk ca. 27 % aller registrierten Betriebe in Deutschland aus.
Das Angebot des Handwerks richtet sich an private VerbraucherInnen, die Industrie und Öffentliche AuftraggeberInnen. Dabei gibt es neben den klassischen Gewerken wie Bau und Ausbau oder Nahrung und Genuss auch moderne, technologische Bereiche wie Feinwerkmechanik und Metallbau, um nur ein paar zu nennen.
Doch sind nicht alle Entwicklungen positiv. Der Lehrlingsbestand hat abgenommen und ist mit ca. 368.000 Lehrlingen beinahe um ein Viertel gesunken im Vergleich zu 2004. Erst in den letzten Jahren hat der Abwärtstrend aufgehört und seither stagnieren die Zahlen. Dazu kommt die Geschlechterungleichheit im Handwerk. Frauen machen weniger als ein Viertel der Auszubildenden im Handwerk aus. Während in technischen Gewerken der Anteil im Vergleich zu Männern sehr niedrig ist, ist er in den kreativen und sozialen Berufen hoch und überschreiten zum Teil sogar den Männeranteil.
Handwerk in der Gesellschaft
2018 waren etwa 12,4 % aller Erwerbstätigen im Handwerk beschäftigt. Das bedeutet jede/r achte Beschäftigte in Deutschland arbeitet als HandwerkerIn. Ein Anteil der im Vergleich zu den 74,5 % der Erwerbstätigen im Bereich der Dienstleistungen als eher unbedeutend erscheint. Das Interesse der Gesellschaft am Handwerk ist jedoch so hoch wie schon lange nicht mehr. Wie in der Einleitung beschrieben, gibt es schon seit Jahren gesellschaftliche Tendenzen hin zum Handwerk. Der Ursprung dieser Tendenzen ist vielschichtig.
Die Industrialisierung habe ich schon öfter in dieser Arbeit erwähnt. Der Grund, weswegen sie für so viele Entwicklungen im Handwerk verantwortlich ist, liegt schlicht darin, dass sie eine Art Gegensatz zum Handwerk bildet. Während auf der einen Seite Handwerk für individuelle Anfertigungen und Aufträge, Kundennähe und Beteiligung am Prozess sowie Kreativität in der Ausarbeitung steht, wird in der Industrie alles genormt, Arbeitsschritte in immer kleinere Teile zerlegt und automatisiert und es wird auf Masse produziert. Beide Seiten haben ihre Vor- und Nachteile. Nachdem günstigere Preise und hohe Verfügbarkeit durch die Industrie lange den Markt bestimmt haben, gibt es jetzt wieder Gegenbewegungen. Diese Bewegungen nennen sich Individualität, Authentizität und New Work und mit ihnen kommt eine Besinnung auf Werte, die im Handwerk bereits vertreten sind.
Individualität ist eine der größten Triebkräfte und liegt auch den anderen Bewegungen zugrunde. Das Bedürfnis nach Selbstverantwortung und Freiheit treibt uns an und veranlasst uns immer wieder, unsere Ketten zu sprengen und neu Wege zu suchen. So war es in der Französischen Revolution und auch mit den Handwerkerzusammenschlüssen während der Industrialisierung. Die aktuellen Ketten haben wir uns mit der Industrialisierung und der Digitalisierung auferlegt. Massenproduktion führt dazu, dass wir alle sehr ähnliche Dinge kaufen und konsumieren und die Digitalisierung brachte eine Ausweitung unseres Umfeldes mit sich. Plötzlich vergleichen wir uns mit mehr Menschen und es wird uns bewusst, wie gleich wir alle sind. Das Bestreben anders zu sein, man selbst zu sein und frei von den Zwängen, die das Vergleichen mit sich bringt, treiben den Megatrend Individualität stetig voran.
Das zeigt sich auch in der Authentizität, die heute von einem verlangt wird. Angefangen mit der Industrialisierung über die Digitalisierung hin zur permanenten Vernetzung durch die mobilen Endgeräte hat sich Arbeit zu etwas entwickelt, das gemacht wird, um Geld zu verdienen und ist selten etwas, was aus Leidenschaft gemacht wird. Die Forderung nach mehr Authentizität beschreibt den Prozess, in dem Leute aufhören sich zu verstellen und mehr sie selbst sein können, unabhängig von ihrem Umfeld. Authentisch nach den eigenen Gefühlen und Werten handeln.
Dass diese Bewegung nicht in allen Berufen Anklang findet, ist schnell klar. Keine Putzfrau und kein Müllmann wird Authentizität auf der Arbeit praktizieren. Für sie ist Arbeit etwas, das man nicht machen möchte, aber tut, um Geld zu verdienen. Doch in vielen anderen Berufsfeldern ist diese Praxis möglich. Das Handwerk als Beruf, in dem das Werkstück Ausdruck der Werte und der Haltung des Handwerkers ist, lässt nicht viel Raum, nicht authentisch zu sein.
Die Digitalisierung brachte jedoch auch einen positiven Wandel mit sich. Die Art des Arbeitens hat sich ― angefangen mit der Industrialisierung ― geändert. Anstatt dass eine Person den gesamten Produktionsprozess begleitet, wurden die einzelnen Arbeitsschritte auf die ArbeiterInnen aufgeteilt oder automatisiert. So wurde die Produktivität erhöht, aber zugleich auch die Vielfalt in der Arbeit reduziert. Der Anteil der tatsächlichen Handarbeit ist sehr gering, zumeist wird der gleiche Handgriff von der gleichen Person unendlich oft wiederholt. Diese Art zu arbeiten hat sich auch in akademische Berufe eingeschlichen, die ArbeiterInnen sind nur selten an dem gesamten Prozess eines Projektes beteiligt. Die Norm ist es, dass jede Abteilung einen Aspekt des großen Ganzen bearbeitet. So thematisiert auch Mathew B. Crawford in seinem Buch »Shop Class as Soulcraft« diesen Wandel, der, angefangen mit der Industriellen Revolution, Einzug in die Arbeitswelt gehalten hat. Immer kleinteiliger werden die Aufgaben, die zu bearbeiten sind, und immer unklarer, wofür man eigentlich arbeitet. Welchen Mehrwert schafft die eigene Arbeit? Diese Ungewissheit schafft Unzufriedenheit und so verbreiten sich heute Forderungen nach Individualität und Freiheit, im Privatleben und im Beruf.
Hier setzt nun die Digitalisierung an. Sie ermöglicht das Arbeiten auch außerhalb des Büros, bringt neue Arten zu Arbeiten mit sich und vernetzt das private und berufliche Umfeld. Diese Möglichkeiten liegen einer neuen Bewegung zugrunde. Unter dem Begriff New Work wird dieser Wandel der Gesellschaft in Bezug auf das Arbeiten zusammengefasst. Es beschreibt die Art, wie die Arbeit wahrgenommen wird, warum gearbeitet wird und was mit der Arbeit erreicht werden soll. »Ein Job wird nicht mehr als Zwang zur Sicherung des Lebensunterhalts betrachtet, sondern als eine Tätigkeit, die stolz machen und erfüllen soll. Das ganze Konzept der Arbeit wird ganzheitlicher gestaltet und subjektiviert.« Es wird sich mit dem Job identifiziert, man ist stolz auf seine Arbeit und ist ein dynamischer Teil des Unternehmens.
Um mit der Entwicklung Schritt zu halten, werden Unternehmen aktiv. Sie passen ihre Unternehmenskultur an, um das work-life-blending zu ermöglichen, dass mit den neuen Erwartungen an die Arbeit einhergeht. Das Büro wird zum privaten Umfeld und das Zuhause zum Büro. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, die Auflösung strenger Trennungen in Büroräume oder Cubicles und das Schaffen von Gemeinschaftsräumen sind nur ein Teil der Maßnahmen, die zu diesem Zweck entwickelt wurden.
Im Handwerk finden sich einige der Werte von New Work wieder. Mitbestimmung am Prozess, Stolz auf die Arbeit, Identifikation mit der Arbeit und work-life-blending sind hier normal. Zusätzlich gibt es trotz allem gerade in jungen Unternehmen Bemühungen, New Work in den Alltag zu integrieren.
Diese aktuellen Trends sind ein guter Weg, das Image des Handwerks zu verbessern. Jedoch liegt in unserem Schulsystem ein weiteres Problem. Es wird vermittelt, dass Kopfarbeit gut ist, und Handarbeit schlecht. So ist in vielen Schulen seit Jahren ein Rückgang des Angebotes an Werkunterricht zu beobachten. Heute bieten nur noch wenige Haupt- und Realschulen Werkunterricht an. Der Fokus liegt auf den Geistes- und Naturwissenschaften. Wer nicht studieren kann ist nicht erfolgreich, so ist das Bild, das vermittelt wird. Unsere Gesellschaft lernt, akademische Berufe als Ziel zu sehen und so bleib für das Handwerk die Rolle des Unerwünschten.
Werbung im Handwerk
Wie kommt eine HandwerkerIn an Aufträge? Schaut man sich die Zahlen an, stellt man fest, dass im Handwerk die Digitalisierung im Bereich Marketing noch nicht flächendeckend angekommen ist. 2016 setzen nach wie vor 61 % der HandwerkerInnen auf Kleinanzeigen in Zeitungen. Werbung über den direkten, persönlichen Kontakt macht jedoch den größten Teil der Marketingbemühungen der HandwerkerInnen aus; unabhängig davon, ob es direkt über die HandwerkerIn oder über Dritte läuft. Dabei vor allem zu nennen, sind persönliche Kontakte [bei 45 % der HandwerkerInnen], BestandskundInnen [bei 42 % der HandwerkerInnen] und Mund-zu-Mundpropaganda [bei 31 % der HandwerkerInnen]. Zusammengefasst spielen sie eine größere Rolle als Anzeigen in Zeitschriften. Nicht zuletzt deswegen, da die Auflagen von Regionalzeitungen in den vergangenen Jahren konstant abnehmen, wie man am Beispiel der Funke Mediengruppe, einem der größten Verlage Deutschlands, sieht.
Des Weiteren setzen 19 % der HandwerkerInnen auf Kleinanzeigen im Internet und 3 % auf die eigene Website als Werbemittel . Und das obwohl 97 % der HandwerkerInnen ihre eigene Website besitzen. Die Website übernimmt jedoch weniger die Funktion, Erstkontakt zum Kunden aufzunehmen, sondern ist vor allem dafür da, weitere Informationen über den Betrieb bereit zu stellen und ein Verständnis dafür zu schaffen, was das Angebot der HandwerkerInnen ist.
Das aufkommende Thema zur Zeit scheinen Soziale Netzwerke zu sein, wobei nur etwa 30 % der Betriebe hierauf setzen. Im Gegensatz zur Website ist die Funktion von Social Media das Verbreiten der Markenidentität. Neukunden finden und einen ersten Kontaktpunkt mit ihnen schaffen. Dabei führt die Nutzung von Social Media wenig zu Käufen, schafft aber ein Bewusstsein für das Unternehmen und vereinfacht den weiteren Werbeprozess.
Ein weiteres Werbemittel, das in jüngerer Zeit sehr an Beliebtheit gewinnt, ist der Showroom. Hierbei geht es darum, den Kunden zum Verweilen einzuladen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die Produkte und das Angebot der HandwerkerIn einzulassen. Hier spielt vor allem die Kundenbetreuung eine große Rolle. Vorhandene KundInnen sollen Vertrauen zu dem Unternehmen fassen und somit als Multiplikatoren fungieren, aber auch selbst noch einmal zur KäuferIn werden.
Bei einer guten Lage des Showrooms dient dieser auch als Mittel zur Neukundengewinnung. Während bei einer Lage, die fußläufig nicht gut erreichbar ist, der Showroom noch gezielt aufgesucht werden muss, ist bei einer Lage im Zentrum der Stadt eine Neukundengewinnung in Form von Laufkundschaft durchaus möglich.
Eine Besonderheit in der eigenen Bewerbung gibt es bei HandwerkerInnen, die in einem Feld tätig sind, das sehr ungewöhnlich ist. Diese können auf Zeitschriften oder Fernsehsender zugehen und ihnen die Möglichkeit zu einem Interview oder einer Reportage geben. Hierzu muss jedoch das Potenzial gegeben sein, dass die breite Bevölkerung Interesse an dem Handwerk hat.